Schloßberg 11, 83435 Bad Reichenhall, Österreich
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St. Valentin in Marzoll
Foto: Thomas Kujat
Beschreibung
Wallfahrts- und Pfarrkirche St. Valentin und Schlossberghof in Marzoll
Marzoll gilt als ein bedeutender bronzezeitlicher Siedlungsort und wurde maßgeblich durch die Herren von Marzoll geprägt. Die Kirche war im 17./18. Jahrhundert ein bedeutender Wallfahrtsort und ist heute eine Station auf dem Jakobsweg.
Geschichte des Ortes
Archäologische Funde belegen die Besiedelung von Marzoll bereits in der älteren und mittleren Bronzezeit. Aus der Römerzeit wurden Überreste einer villa rustica (landwirtschaftlicher Betrieb mit Wohnhaus, Wirtschafts- und Nebengebäuden) gefunden. Die qualitätsvolle Ausstattung lässt sich anhand gesicherter Fragmente von Wandmalereien, Mosaikfußböden und Fußbodenheizungen rekonstruieren. Die Forschung nimmt an, dass der Ortsname Marzoll sich von einem römischen Personennamen ableitet.
Entstehungs- und Baugeschichte
Im 8. Jahrhundert werden die Kirche (vermutlich ein Holzbau unter dem Patrozinium des heiligen Laurentius) und der Ortsname ad marciolas (in Marzoll) erstmals urkundlich erwähnt. Ab diesem Zeitpunkt beginnt auch die Reihe der Herren von Marzoll mit Snelwach de Marciolis. Erst im 12. Jahrhundert findet sich wieder ein Geschlecht, das sich Marzoller nennt. Zu dieser Zeit wird auch mit dem Bau der romanischen Kirche, die dem heiligen Valentin von Terni geweiht wurde, begonnen. Als Filialkirche unterstand sie dem neugegründeten Augustiner Chorherrenstift St. Zeno in Bad Reichenhall.
Um 1460 kaufte die bedeutende Reichenhaller Salzsiederfamilie Fröschl den Wohnturm Marzoll und erwählte die Kirche, genauer gesagt den Chorbereich und die Seitenaltäre, zur Familiengrablege. Große Unterstützung erfuhr die immer mehr an Bedeutung gewinnende Wallfahrt und der Ausbau der Kirche ab 1500 vom Passauer Bischof Wiguleus Fröschl. Die Patrizierfamilie Fröschl baute den ursprünglichen Wohnturm im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts zu einem großzügigen Familiensitz aus. Es entstand ein kubischer Bau mit einem Wehrgang und vier runden Ecktürmen, die oben mit Welschen Hauben abgeschlossen waren. So entstand der erste Renaissancebau Bayerns. Die Blütezeit der Wallfahrt zum Hl. Valentin lag im 17. und 18. Jahrhundert. Damals zählte Marzoll mit ihrem Patron der „hinfallenden Krankheit“ zu den vermögendsten Wallfahrtskirchen im Umkreis.
Ausstattung der Kirche
Betritt man den Friedhof, der die Kirche umgibt, fällt einem sofort der wehrhafte, unverputzte Westturm aus Nagelfluh-Quadern auf. Seine ursprüngliche gotische Spitzhaube wurde im Zuge der Barockisierung durch eine Doppelzwiebelhaube ersetzt. Der zweigeschossige Anbau im Norden stammt aus dem 17./18. Jahrhundert. Der gotische Chor im Osten entstand um 1430. Natürliches Licht fällt nur über die Fenster im Osten und Süden in den Kirchenraum. In das Gotteshaus gelangt man über den Haupteingang im Norden. Das spätgotische Kielbogenportal wird durch eine Vorhalle geschützt. Die Genealogie, der Stammbaum, der Herren von Marzoll erschließt sich anhand der Grabsteine, die im 19. Jahrhundert aus dem Kircheninneren, der ehemaligen Grablege, hierher versetzt wurden. Im Innenraum der Kirche hat Benedikt Zöpf aus Salzburg die Stuckierung durchgeführt und einen beeindruckenden Audienzsaal Gottes geschaffen. Wenn man auf einer der Kirchenbänke platzt nimmt und nach oben in das gotische Gewölbe blickt, erkennt man von Osten nach Westen das theologische Programm auf der Mittelachse am besten: Das Auge Gottes mit Strahlen und Wolken, gefolgt von JHS für Jesus mit einigen Arma Christi (Leidenswerkzeugen) und dem Marienmonogramm als Symbol für die Muttergottes, die den Gottessohn geboren hat. In den seitlichen Zwickeln befinden sich Stuckkartuschen (Zierrahmen) mit Buch, Kelch, Wein, Wasserkännchen und Weihrauchfass.
Im Chor wurde in den späten 1960er Jahren an der Nordwand eine spätgotische Wandmalerei freigelegt. Sie war Bestandteil des gotischen Sakramentshauses, das im Zuge der Umbauten im 17./18. Jahrhundert abgerissen wurde. Flankiert wird das Hochaltarbild, das um 1780 entstand und den Hl. Valentin zeigt, links vom heiligen Laurentius (sein Attribut ist der Rost) und rechts vom heiligen Ulrich (als Bischof mit Mitra, Evangelienbuch und Hirtenstab). Die Darstellung der Marienkrönung über dem Altarbild schließt das theologische Programm des Gewölbes ab. Maria kniet auf einer Wolke (vermutlich ein Hinweis auf ihre folgende Himmelfahrt) zwischen Jesus der in seiner rechten Hand die mit einem Kreuz bekrönte Sphärenkugel hält, und Gottvater rechts. Gemeinsam halten sie die Krone über ihr Haupt. Darüber schwebt der Heilige Geist als Taube dargestellt.
Kirchenpatron
Das Altarbild des Hochaltars zeigt den Heiligen Valentin in Lebensgröße mit den Pontifikalien eines Bischofs: der Mitra, dem Stab (Hinweis auf seine Aufgabe als Hirte), dem Bischofsring (bzw. Fischerring des Bischofs von Rom) und ein Brustkreuz. Im linken unteren Bildrand ist eine Heilungsszene aus dem Leben des heiligen Valentin dargestellt. Valentin wurde schon in jungen Jahren zu Bischof von Terni geweiht, wo er durch aufsehenerregende Wunder wirkte. Deshalb wurde er nach Rom gerufen, um den verkrüppelten Sohn des Rhetors Craton zu heilen. Weil er das tat und deshalb viele Leute zum Glauben kamen, wurde er in der Verfolgung unter Kaiser Aurelian verhaftet, gegeißelt und schließlich am 63. Meilenstein der nach Rom führenden Via Flaminia enthauptet. Heute feiert die katholische Kirche am 14. Februar seinen Gedenktag. Zahlreiche Votivgaben dokumentieren ihn als Schutzpatron für Ohnmachtsanfälle und Epilepsie - die fallenden Krankheiten - Dieses Patronat ist auf den deutschsprachigen Raum begrenzt, begründet wohl durch den Spruch: Valentin - fall net hin! Zunehmende Bedeutung erlangte die Verehrung des Heiligen Valentin als Patron der Liebenden. So wird heute der Heilige Valentin vor allem als Fürsprecher der liebenden Paare wahrgenommen und angerufen.
Spiritueller Impuls
Der Heilige Valentin ist der Patron der Liebenden und Ehepaare. Er inspiriert uns, einander immer wieder Liebe zu schenken. Denken wir in Stille einmal nach: Wem möchte, kann ich heute eine Freude machen? Wen beschenke ich? Wem sage ich: Ich mag dich!
Besonderheit
An der äußeren Nordseite der Kirche finden sich die Überreste des ehemaligen Beinhauses, Karner oder Seelenhauses. Im Volksmund auch Allerseelenkammerl bezeichnet. Dabei handelte es ist um einen überdachten Raum, der zur Aufbewahrung von Gebeinen bestimmt war. Oft zweistöckig ausgeführt konnte der obere Bereich als Andachtsraum, die untere als Beinkeller genutzt worden sein.